Wirkte in Colditz ein rechtsextremes Netzwerk? Geheime Liste umfasst hunderte Anzeigen gegen Verdächtige

Dresden. Gegen die drei Verdächtigen, die im Fokus der Ermittlungen rund um die Colditzer Drogenrazzia von Ende März stehen, waren in den vergangenen Jahren 424 Anzeigen anhängig. Das geht nach Informationen der Leipziger Volkszeitung aus einer Liste hervor, die das Innenministerium den Mitgliedern des Innenausschusses vorgelegt hat.

Das Papier selbst ist nicht öffentlich und geheim. Die Landtagsabgeordneten dürfen über deren Inhalt nicht reden. Die Auflistung soll ihnen aber ermöglichen, die Hintergründe des Colditzer Falls besser einzuschätzen. Denn seit den Durchsuchungen wird über ein rechtsextremes Netzwerk in dem Ort spekuliert, das sich das Feld der organisierten Kriminalität erschlossen haben könnte. Der Fall hatte deswegen besondere Aufmerksamkeit erregt.
Zu Urteilen kommt es nur in wenigen Verfahren

Die Liste selbst ist nach LVZ-Informationen sehr allgemein gehalten. Dort werden nur die einzelnen Deliktgruppen aufgeführt. Daraus ist ersichtlich, dass die meisten Ermittlungen wegen Straßenverkehrsdelikten (88 Fälle) und Beleidigungen (65 Fälle) geführt wurden. Insgesamt gibt es fünf Fälle, die einen Bezug zur politisch motivierten Kriminalität aufweisen.

Die Bandbreite der Delikte ist aber groß: So werden auch Anzeigen wegen Raubes, wegen Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit, gegen die sexuelle Selbstbestimmung und wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz aufgelistet.

Zu Verurteilungen kam es nur in vergleichsweise wenigen Verfahren: In 41 Fällen wurde eine Freiheitsstrafe – auch auf Bewährung – ausgesprochen, in 26 Fällen eine Geldstrafe verhängt. Einmal endete ein Prozess mit einem Freispruch.
Aussagekraft der Liste ist Thema im Ausschuss

Laut Erläuterungen zur Liste werden die Verdächtigen derzeit nicht vom Landesverfassungsschutz als Rechtsextremisten gespeichert. Es wird davon ausgegangen, dass etwaige Informationen nach den entsprechenden Fristen gelöscht wurden.

Im Ausschuss war die Aussagekraft der Liste durchaus Thema, wie der LVZ bestätigt wurde. Einzelne Abgeordnete wiesen nach der Sitzung darauf hin, dass die Liste eben nicht belege, dass es kein rechtsextremistisches und kriminelles Netzwerk in Colditz gebe. Man komme eher zu dem Schluss, dass es sich bei den Verdächtigen um „Intensivtäter“ handele.

Um die Liste hatte es vor der Ausschusssitzung politischen Streit gegeben. Denn bis Anfang der Woche hatte das Innenministerium kein Papier vorgelegt, obwohl den Abgeordneten die Information zugesichert worden war. Eine Begründung dafür gab es nicht. Erst am Dienstag erklärte das Ministerium auf Nachfrage, man werde die Zusage einhalten.